day 5.2

news:fiction


Bärbel Möllmann

Der Titel News:Fiction gibt den ersten Hinweis auf die Entstehung von Martina Sauters Arbeit. Mit Beginn der Corona-Pandemie 2020 sammelte die Künstlerin Pressebilder, denen sie Screenshots der TV-Serie Fortitude gegenüberstellte.
Fortitude ist eine britische Krimiserie mit Elementen aus dem Mystery-Genre; überwiegend gedreht in Reyðarfjörður auf Island und ausgestrahlt zwischen 2015 und 2018. Der Fortschritt der Handlungen und deren visuelle Darstellung weist viele Ähnlichkeiten zum Verlauf der Corona-Krise auf. Thematisch ist auch hier ein für das bloße Auge nicht sichtbarer Erreger Auslöser für die tiefgreifenden Veränderungen der Gesellschaft.
Laut der Politologin und Zukunftsforscherin Dr. Isabella Hermann haben Science-Fiction-Serien einen ganz besonderen Reiz, sich mit politischen und gesellschaftskritischen Fragen auseinanderzusetzen. Als Beispiel nennt sie die Serie Star Trek, die ein postkapitalistisches und gendergerechtes Gesellschaftsbild der 60er und 70er Jahre entwickelte. Die Science-Fiction schaut in die Zukunft, aber aus der Perspektive der eigenen Zeit. Blickt man später auf diese Fiktion zurück, schaut man in die Vergangenheit und kann die (vergangene) Vision mit der Wirklichkeit vergleichen. Haben sich die gesellschaftlichen Veränderungen so entwickelt, wie es in den Serien aufgezeigt wurde?
Genauso verhält es sich mit der Arbeit von Martina Sauter: Die Künstlerin blickt auf einen gravierenden Einschnitt in unsere Gesellschaft und lässt dabei Bilder wie aus einem Science-Fiction-Roman entstehen; eingestreut werden Aufnahmen aus der Alltagskultur der Pandemie.
Betrachten wir jetzt, zwei Jahre später, diese Bilder, sehen wir eine Vergangenheit, die wir uns kaum noch vorstellen mögen; ähnlich einem Albtraum, aus dem man erschreckt erwacht. Doch der Realitätsbezug in Sauters Arbeit ist nicht unwesentlich, sei es der verlassene Ball ihres Sohnes im Keller, oder eine zerbrochene Diskokugel im Dorf Ischgl in Tirol, das als Corona-Hotspot in die Schlagzeilen geriet. Gelebte Realität und fiktionale Serienbilder verschmelzen zu einer Einheit.
Die Arbeiten sind mit dem historischen, fotografischen Verfahren der Cyanotypie entstanden. Es verstärkt den verklärten Blick der Motive, unterstreicht aber auch eine wissenschaftliche Verknüpfung. Wird das entwickelte und fixierte Papier zu lange dem Licht ausgesetzt, zersetzt es sich nach und nach wieder.